Sibylle Jeker soll schaffen, was der Solothurner SVP selbst mit national bekannten Parteigrössen nicht gelang: der Einzug in die Kantonsregierung. Überzeugen will sie durch beharrliche Arbeit und den Willen zum Kompromiss.
Nein, wie die Gräfin vom Thierstein führt sie sich nicht auf. Weder verfügt Sibylle Jeker über die Ländereien, die sich unterhalb des Felssporns am Ausgang des Lüsseltals ausbreiten, noch übt sie Regierungsgewalt aus. Und überhaupt: Für die grossen Reden, markigen Worte und auch mal überzogenen Forderungen sind in ihrer Partei andere zuständig.
Und doch ist der Fototermin auf dem Turm der Ruine Neu-Thierstein nicht zufällig gewählt. Der Ort steht zwischen jenen beiden Dörfern, in denen Sibylle Jeker seit bald 20 Jahren zu Hause ist. Wenn die SVP diesen Frühling in die Regierung einziehen soll, muss ihre Kandidatin diese Region für sich gewinnen. Auch aus dem Hauseigentümerverband, wo sie im Vorstand sitzt, dürfte es einigen Support geben. In urbaneren Gebieten sowie den Städten Solothurn und Olten dürfte sie einen schweren Stand haben. Im bürgerlichen Grenchen stehen die Chancen besser.
Solothurn ist ein Sonderfall: In jedem anderen Deutschschweizer Kanton ausser Basel-Stadt stellte die SVP bereits ein Exekutivmitglied. In Solothurn unternahm die Rechtspartei bisher sieben Anläufe, darunter mit bekannten Namen wie den Nationalräten Roland Borer oder Walter Wobmann, einmal sogar mit einem Fünferticket. Die Stimmbevölkerung verwehrte aber bisher stets einen Regierungssitz.
Wurzeln in einem CVP-Haushalt
Am fehlenden Engagement soll es diesmal nicht liegen. 50’000 Franken zahlt die SVP nach eigenen Angaben für den Wahlkampf, notabene nur für den ersten Wahlgang. An den Strassenrändern lächelt Sibylle Jeker von vielen Plakaten, am Dorfeingang von Balsthal gar in Übergrösse. Denn auch im Thal, wo ihre Wurzeln liegen, will sie mobilisieren. In Balsthal wuchs sie in einem CVP-Haushalt auf, der Mann ihrer Mutter war Gemeindepräsident. In der früheren Hochburg der Katholisch-Konservativen wurde sie mit «altbürgerlichen» Werten imprägniert, an die sie nun appelliert.
In die CVP mochte Jeker allerdings nicht eintreten. So startete sie als Parteilose in der Jugendkommission von Balsthal. Mit Anfang 20 lernte sie ihren Mann kennen, der später Präsident der SVP des Kantons Solothurn wurde, und zog zu ihm ins Schwarzbubenland.
In Erschwil kam es beim Umbau ihres Hauses wegen zu grosser Dachfenster zu Differenzen mit der Baukommission. «Damals war das Dorf politisch zwischen FDP und CVP aufgeteilt, die Fronten oft verhärtet. Eine dritte, unbelastete Partei schien uns eine sinnvolle Ergänzung», erinnert sich Sibylle Jeker. So gründete das Paar eine SVP-Ortssektion.
Vier Jahre sass sie in Erschwil im Gemeinderat, vor einigen Jahren zügelte die Familie ins neu gebaute Eigenheim in Büsserach. 2019 folgte die Wahl in den Kantonsrat. Dort äusserte sich Jeker in erster Linie zu Energiethemen, wo sie weniger staatliche Regeln und mehr Eigenverantwortung fordert. Das überarbeitete Energiekonzept 2022, das sich an den Zielen des Bundes orientiert, kritisierte sie stark.
So erstaunt es, dass sich Jeker auf der Plattform Smartvote nicht deutlich, sondern «eher» gegen das Energiegesetz aussprach, das am Sonntag bachab geschickt wurde. Überhaupt werden für ein Mitglied einer Polpartei so manche Fragen nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet. Sie sei sich bewusst, dass sie für eine Wahl auch Stimmen bis in die Mitte hinein benötigt, räumt Jeker ein. Ausserdem habe es beim Energiegesetz durchaus positive Punkte wie den steuerlichen Abzug für Photovoltaikanlagen bei Neubauten gegeben. «Und wäre es vom Volk angenommen worden, hätte ich es im Fall einer Wahl in der Regierung vertreten müssen.» Das tönt schon ziemlich staatstragend und kompromissbereit.
Engagierte Arbeit hinter den Kulissen
Die Kompromissfähigkeit wird ihr in Politkreisen durchaus attestiert. «Ich schätze sie als konstruktiv und engagiert ein», sagt FDP-Kantonsrat Markus Dietschi, der ihr Wirken aus der gemeinsamen Arbeit in der Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission kennt. Während Jekers Stimme im Parlament nur selten zur Geltung komme, habe sie hinter den Kulissen grösseres Gewicht.
Eine stille Schafferin ist die 41-Jährige auch im Berufsleben. Zusammen mit ihrem Mann baute sie eine Haustechnikfirma auf. Während er auf der Baustelle war, erledigte die Absolventin einer KV-Lehre (Praxis-Abschlussnote 6) die Büroarbeit. Gemeinsam brachten Jekers auch das Schlössli-Pub in Büsserach zu neuer Blüte, bis sich die zweifache Mutter aus der Gastronomie zurückziehen wollte.
Für die KMU schlage ihr Herz noch heute: «Die kleinen Unternehmer ertrinken aufgrund ständig neuer Gesetze und Verordnungen in der Bürokratie.» Im Volkswirtschaftsdepartement, das Jeker gern übernehmen würde, möchte sie administrative Hürden abbauen und dafür sorgen, dass weniger Kosten vom Kanton an die Gemeinden verlagert werden. Auch die kantonale Standortförderung müsse forciert werden. Die von ihr präsidierte Tourismus- und Standortförderung Forum Schwarzbubenland hat sich für Arbeitszonen eingesetzt, um Unternehmen anzusiedeln.
Seit sechs Jahren arbeitet Sibylle Jeker für Raiffeisen Immo und betreut als stellvertretende Marktgebietsleiterin Basel-Stadt die Region Nordwestschweiz. Dort bewertet sie Liegenschaften, oft von Erbengemeinschaften. Hin und wieder gehe sie noch selber an die Verkaufsfront. «Dort kann ich meine Stärken im Verhandeln und Zusammenbringen von Menschen einbringen.» Daneben unterstützt sie noch immer die familieneigene Haustechnikfirma.
Die Thailand-Reise musste storniert werden
Wo bleibt neben all dem die Freizeit? «Keine Zeit für Hobbys», sagt die SVP-Frau knapp. Sie entdecke gern die Welt, und als «Thailand-Fan» schätze sie die tropischen Strände und die Freundlichkeit der Menschen dort. Im Januar wäre eigentlich ein Aufenthalt im südostasiatischen Land geplant gewesen. Nach ihrer deutlichen Nomination als Regierungsratskandidatin, in der sie sich parteiintern gegen Stephanie Ritschard durchgesetzt hatte, wurde die Reise storniert.
Und gibt es doch einmal einen freien Sonntag, schaltet Sibylle Jeker zur Entspannung eine schnulzige Liebesromanze ein. Oder sie bäckt eine Ratsherrentorte nach dem Rezept der Schwiegermutter. Eine delikate Angelegenheit: millimeterdünne Schichten werden einzeln in den Ofen geschoben, am Schluss kommt der Schokoladenüberzug drauf. Das nimmt einen ganzen Tag in Anspruch. «Manchmal verflucht man den Tag», sagt Sibylle Jeker und lacht. Aber das Resultat sei die Mühen wert.
Zur Person
Sibylle Jeker ist 41-jährig. Nach der Sekundarschule in Balsthal machte sie eine kaufmännische Ausbildung bei der Maschinenbaufirma Kirsten in Welschenrohr. Später gründete sie zusammen mit ihrem Mann die Haustechnikfirma Heizungschef GmbH. An der FHNW in Muttenz absolvierte sie einen Lehrgang zur Immobilienbewerterin, seit sechs Jahren arbeitet sie für Raiffeisen in Basel als Immobilienmaklerin. Vier Jahre sass sie für die SVP im Gemeinderat von Erschwil, seit 2019 ist sie Kantonsrätin. Sibylle Jeker ist verheiratet mit Silvio Jeker und Mutter von David (18) und Jennifer (16).
Der Text ist am 11. Februar 2025 als Interview in der Solothurner Zeitung erschienen.