Politische Bildung ja – aber nicht staatlich gelenkt

Ich teile die Überzeugung, dass politische Bildung wichtig ist. Demokratie lebt davon, dass Menschen sich einbringen, kritisch denken und Verantwortung übernehmen. Doch mit dem Positionspapier zur politischen Bildung überschreitet der LCH eine rote Linie: Wenn die Schule zur Instanz wird, die Kinder «zu mündigen Bürgern erziehen» soll, stellt sich die Frage, wer definiert, was das genau heisst – und wer bestimmt, was ein «richtiger» oder «falscher» politischer Standpunkt ist?

Dass Jugendliche wenig Vertrauen in die Politik haben, ist kein Beweis für ein Bildungsdefizit, sondern vielmehr ein Hinweis darauf, dass Politik glaubwürdiger, nachvollziehbarer und bürgernäher werden muss. Wer diese Skepsis mit der Gefahr «autoritärer Denkweisen» gleichsetzt, ignoriert die berechtigten Fragen und Sorgen junger Menschen – und verkennt, dass kritisches Denken auch heisst, sich nicht einfach mit dem Bestehenden zufriedenzugeben.

Die Forderung, politische Bildung auf allen Schulstufen zu stärken und fest im Lehrplan zu verankern, erscheint mir problematisch. Die Schule soll ein Ort des Lernens sein – nicht der politischen Erziehung. Die Verantwortung für die politische Sozialisation liegt in erster Linie bei den Eltern und der Gesellschaft insgesamt.

Zudem betont der LCH die Notwendigkeit, demokratische und humanistische Werte zu vermitteln, während die Schule gleichzeitig parteipolitisch und religiös neutral bleiben soll. Diese Balance zu halten ist anspruchsvoll – und birgt die Gefahr, dass Lehrpersonen unbeabsichtigt ihre eigenen Ansichten einbringen und so die Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler beeinflussen.

Die Förderung von Medienkompetenz und kritischem Denken ist zweifellos wichtig. Aber genau das darf nicht dazu führen, dass bestimmte politische Haltungen bevorzugt und andere marginalisiert werden. Einseitige Darstellungen oder die Kanalisierung von Meinungen dürfen im Bildungswesen keinen Platz haben.

Ich bin überzeugt: Politische Bildung muss mit grösster Zurückhaltung und unter strikter Wahrung der Neutralität erfolgen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat unsere Kinder in eine bestimmte politische Richtung erziehen will. Die Schule soll ein Ort sein, an dem Wissen vermittelt und junge Menschen dazu befähigt werden, sich eigenständig, kritisch und vielseitig mit den Themen unserer Zeit auseinanderzusetzen – in der Politik genauso wie in allen anderen Lebensbereichen.

Liebe Grüsse
Sibylle Jeker

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